Ich habe eine Nacht in der Sky Suite Hangang Bridge verbracht – ein gläsernes Hotelzimmer, das über dem Han-Fluss in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul schwebt.
Den atemberaubenden Panoramablick auf die Metropole werde ich nie vergessen.
Die Suite wurde erst kürzlich eröffnet, ist mit einem Preis von bis zu 330 Euro pro Nacht aber kein Schnäppchen.
Ich stand in Seoul auf der Hangang-Brücke, sah die vielen Autos an mir vorbeirauschen und wunderte mich: Wer hatte die Idee, an dieser Stelle eine Hotelsuite einzurichten – inmitten des lärmenden Verkehrstreibens?
Erst im Juli wurde die Sky Suite Hangang Bridge im Zentrum der südkoreanischen Hauptstadt eröffnet. Laut der Tageszeitung „The Korea Herald“ ist es das erste Hotelzimmer der Welt, das auf einer Brücke thront. Die Gäste schlafen darin also über Seouls berühmtem Han-Fluss schlafen.
Der Strom teilt die Stadt mit fast zehn Millionen Einwohnenden in Nord und Süd. Symbolisch steht er für das Wirtschaftswachstum und die rasche Industrialisierung des Landes, oft als das „Wunder am Han-Fluss“ bezeichnet. Heute ist dieser Teil Seouls ein Naherholungsgebiet, in dem die Einheimischen Rad fahren, picknicken und dem Stadtleben entfliehen.
Früher ein beliebtes Café, heute eine außergewöhnliche Hotelsuite
Das Projekt ist eine Zusammenarbeit zwischen der Seouler Stadtverwaltung und Airbnb, um den Tourismus anzukurbeln. Dabei verwaltet die Stadt die Immobilie und Airbnb die Reservierungen. Ich habe das Haus noch vor seiner Eröffnung getestet.
Die Sky Suite befindet sich in einem ehemaligen Café an der Hangang-Brücke, einer der 32 Brücken über den Fluss. Sie ist Teil des Plans der Stadt, das Flussgebiet neu zu beleben.
Auch wenn das Café bei Einheimischen sowie Touristinnen und Touristen beliebt gewesen war, musste es während der Pandemie dicht machen. Diese Schließung blieb weitgehend unbemerkt, bis das neue Brückenhotel angekündigt wurde. Bei denjenigen, die sich daran erinnern, löste es Nostalgie aus.
Yun Ji Yong, Leiter des Future Hangang Project Headquarters bei der Stadtverwaltung von Seoul, erzählte mir, dass sich die Planer vom Faralda Crane Hotel im Amsterdam inspirieren ließen. Dort war nämlich der Kranturm einer stillgelegten Werft in eine einzigartige Unterkunft umgebaut worden.
„Wir wollten ein Wahrzeichen schaffen, das sowohl Einheimischen als auch Touristinnen und Touristen die Schönheit Seouls und des Han-Flusses vor Augen führt“, so Yun.
Kim Jong Seok, der als Architekt des Seouler Büros COOM Partners die Sky Suite entworfen hat, erklärte mir, wie das Designkonzept den Fluss widerspiegeln soll. „Für das Äußere haben wir horizontale Metalllamellen verwendet, um das Fließen des Han-Flusses in Linien auszudrücken. Gleichzeitig lassen wir das Gebäude als eine einzige Masse erscheinen, was ihm eine Identität als Raum der Ruhe zwischen der komplexen Seouler Stadtlandschaft und dem Han-Fluss verleiht“, so Kim.
Teurer als ein Fünf-Sterne-Hotel
Bei seiner Ankündigung sorgte das zum Appartement umfunktionierte Café für Aufsehen und wurde inzwischen als zu teuer, zu klein und zu laut kritisiert.
Mit 500.000 südkoreanischen Won, umgerechnet 330 Euro pro Nacht, ist es teurer als einige der nahe gelegenen 4- und 5-Sterne-Hotels. Das 5-Sterne-Hotel Novotel Ambassador Seoul Yongsan, das nur einen Katzensprung entfernt liegt, könnt ihr auf Skyscanner Mitte August für etwa 150 Euro pro Nacht für zwei Personen buchen. Allerdings berichtete mir ein Mitarbeiter der Stadt, dass die Preise für die Suite in der Nebensaison auf 345.000 Won, also 225 Euro, sinken werden.
Reservierungen auf Airbnb sind seit dem 1. Juli möglich, und die Sky Suite war nach Angaben der Stadtverwaltung von Seoul innerhalb von vier Tagen bis September komplett ausgebucht.
Laut Yun richtet sich das Angebot an Paare, die einen romantischen Kurzurlaub verbringen möchten, und an Familien mit bis zu vier Personen.
Von Autoabgasen umgeben
Als freiberuflicher Journalist in Seoul nahm ich das Angebot einer kostenlosen Test-Nacht vor Buchungsstart an. Der Weg dorthin gestaltete sich beschwerlich – ein 20-minütiger Spaziergang von der U-Bahn-Station Yongsan. Wenn ihr vom internationalen Flughafen Incheon anreist, braucht ihr mit dem Direktbus 6001 etwas mehr als eine Stunde. Er hält am nördlichen Ende der Hangang-Brücke – direkt neben der Hotelsuite.
Umgeben von mehrspurigem, chaotischem Verkehr war das nicht meine Vorstellung von Luxus.
Die Suite befindet sich in einem turmartigen Gebäude auf der Brücke. Mit einem Aufzug fahrt ihr nach oben. Unter euch liegt dann das Flussufer.
144 Quadratmeter und Panoramablick auf Seoul
Beim Betreten der 144 Quadratmeter großen Suite vergaß ich den Verkehrslärm sogleich. Ich stand inmitten eines geräumigen Wohnzimmers, das durch die raumhohen Fenster in natürliches Licht getaucht war.
Zwei Plattenspieler standen bereit, von denen ich eine große Tonträger-Sammlung abspielen konnte – von alten Klassikern bis zu einer skurrilen Fülle von Werken des britischen Pop-Sängers Engelbert Humperdinck.
Die Suite war ausgestattet mit einer kleinen Küchenzeile und mehreren großen Stufen, die zum offen gestalteten Schlafzimmer führten. So ganz ohne trennende Türen zwischen den Stockwerken fühlte ich mich wie in einem Loft.
Das Badezimmer neben dem Bett war mit einer gefliesten Badewanne und einem Fenster mit Blick auf die Stadt ausgestattet. Versteckt in der Ecke befand sich die Toilette mit einem elektrischen Bidet. Obwohl das Glas nach außen verspiegelt ist, ließ ich das Rollo lieber unten.
Restaurants oder Bars? Dafür müsst ihr weit spazieren gehen
Zwei besonders schöne Spaziergänge können die Gäste von hier aus unternehmen. Diereine führt zur Nodeul-Insel in der Mitte der Brücke. Dort kommen Einheimische und Touristinnen und Touristen gleichermaßen zusammen, um koreanisches Brathähnchen zu essen und bei einem Bier den Tag ausklingen zu lassen. Der andere Weg verläuft direkt unterhalb der Hotelsuite, wo man am Fluss entlang spazieren kann.
Hungrig und von der Hitze erschöpft vom Laufen, machte ich mich auf den Weg zu meinem privaten Turm. Restaurants oder Bars gibt es in der Nähe nicht. Als ich eine Pizza bestellte, musste ich dem verwirrten Lieferfahrer die Adresse klarmachen: „Ja, auf der Brücke, ich scherze nicht, im ehemaligen Café!“
Als die Nacht hereinbrach, offenbarte sich der wahre Zauber. Etliche Autoscheinwerfer verwandeln sich dann in hypnotisierende Lichtbänder. Ich nippte am Wein, legte eine Jazz-Schallplatte auf und betrachtete das glitzernde Stadtpanorama.
Während draußen ein faszinierendes Gewusel herrschte, fühlte ich mich seltsam ruhig in diesem sehr intimen Raum. Gleichzeitig fühlte ich mich in meinem Bademantel ein wenig entblößt, während ich aus dem Fenster schaute. Am Ende wog mich das Rauschen der Autos in den Schlaf.
Eine einzigartige Erfahrung, aber sie hat ihren Preis
Die Aussicht von der Sky Suite ist atemberaubend – und die gesamte Übernachtung anders als alles, was ich bisher erlebt habe.
Für mich war es etwas Neues, über einer der verkehrsreichsten Brücken Seouls zu schlafen und die Energie der Stadt auf unerwartete Weise einzufangen.
Aber falls ihr das Zimmer bucht, erwartet keinen Zimmerservice oder eine gute infrastrukturelle Anbindung. Hier geht es mehr um das Erlebnis und die Aussicht als um traditionellen Hotelkomfort.
Für Einheimische ist es vielleicht nur ein teurer Werbegag ihrer Stadt, an dem sie auf ihrem alltäglichen Weg zur Arbeit vorbeilaufen. Aber für Touristinnen und Touristen mit einem entsprechenden Geldbeutel ist es etwas Einzigartiges.
Leichtschläferinnen und -schläfer sollten auf keinen Fall ihre Ohrstöpsel vergessen.
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